Denkwerkstatt vom 06.04.2019

Unser Thema heute: Ökologische Ökonomie

Gastreferentin: Prof. Dr. Eva Lang

Datum: 6.4.2019

Können wir mit unserem Wirtschaftsmodell überhaupt ökologisch handeln? Oder widersprechen sich die jeweiligen Ziele? Unser heutiger Gast, Prof. Eva Lang, Wirtschaftswissenschaftlerin, meint, dass mithilfe der Ökologischen Ökonomie gelingen könnte, nachhaltig und ressourcenschonend zu wirtschaften.

Unterschied Ökologische Ökonomie und herrschende Ökonomie

Unsere herrschende Ökonomie basiert auf der neoklassischen Theorie, Wohlstand entstehe durch das freie Spiel der Kräfte des Marktes mit einem unbegrenzten Wachstum und dadurch gäbe es langfristig Vollbeschäftigung und soziale Stabilität. Deswegen gehe es darum, Staatsausgaben zu reduzieren, öffentliche Ausgaben zu privatisieren und die Bedingungen für Unternehmen zu verbessern. Im Lehrplan der Studenten heißt es immer noch: Wirtschaftswachstum fördern, öffentliche Aufgaben privatisieren.

Die ökologische Ökonomie kritisiert diese Theorie und stellt ihr eine andere entgegen.

Ein früher Vordenker des Prinzips der ökologischen Ökonogie war Ludwig Ehrhard (Zitat aus: „Wohlstand für alle“, 1957): „Wir werden sogar mit Sicherheit dahin gelangen, dass zu Recht die Frage gestellt wird, ob es noch immer nützlich oder richtig ist, mehr Güter, mehr materiellen Wohlstand zu erzeugen, oder ob es nicht sinnvoller ist, unter Verzichtleistung auf diesen “Fortschritt“ mehr Freizeit, mehr Besinnung, mehr Muße und mehr Erholung zu gewinnen……“

Das Konzept des grenzenlosen Wirtschaftswachstums übersieht die Produktions- und Reproduktionsprozesse der Natur, denn diese stellt sie uns nicht in Rechnung. Auch werden die Wertschöpfungsprozesse der sozialen Welt (Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Ehrenamt …) nicht berücksichtigt. Dieses Konzept führt zur „great acceleration“, der zunehmenden Beschleunigung von Produzieren und Verbrauch.

Kritik daran übt das Konzept der „Planetaty Boundaries“, es zeigt die Übernutzung des Planeten (Will Steffen, 2015). Demnach gibt es 9 Regelkreisläufe, die vom Menschen beeinflusst /zerstört werden, so dass das Kippsystem fast erreicht ist. Wenn ein Regelkreislauf kippt, ist das nicht mehr umkehrbar, sein Verhalten wird chaotisch und für uns nicht mehr vorhersagbar!

Der erste Erdsystemprozess, der vor dem Kippen steht, ist die Zerstörung der Biodiversität (Artenvielfalt).

Der zweite Erdsystemprozess, der zu kippen droht, ist der Phosphorkreislauf. Dies geschieht durch unser Düngeverhalten (Phosphorverbrauch), wir düngen zu viel. Wir brauchen die endlichen und nicht substituierbaren Phosphorvorräte auf. Die landen durch die Auswaschung im Meer, wo sie nicht in den Lebenskreislauf zurückgeführt werden können (Wolfgang Haber). Phosphor ist essentieller Bestandteil der Energieumsetzung und der DNA in Körperzellen.

Drittens: Klimawandel ist ebenfalls Bestandteil der bald kippenden Erdsystemprozesse, allerdings noch nicht derjenige mit dem stärksten Ausmaß.

Gründe für einen nachhaltigen Entwicklungspfad

Wir konzentrieren uns in der Ökonomie zu sehr auf die Wirtschaft. Dies führt zur Ausbeutung, die Erdsystemprozesse geraten in die Nähe eines Kipppunktes.

Wir vernachlässigen die Wertschöpfungsprozesse der sozialen Welt (=private Haushalte, Nachbarschaftshilfe, Selbstversorger, Reparieren, Eigenarbeit …). Wertschöpfung wird nur unter dem Gesichtspunkt der monetären Wertschöpfung gesehen.

Wenn wir die soziale Welt stärken, stabilisiert dies das gesellschaftliche System, bewahrt den Planeten vor Ausbeutung und führt uns in die Lage, dass wir uns wieder konzentrieren können auf mehr Freizeit, mehr Besinnung, mehr Muße und mehr Erholung (Ludwig Erhard).

Notwendige Maßnahme und Projekte für eine Umsteuerung

Ein 10 Punkte Programm mit Lösungen:

  1. Durch eine neue Ordnungspolitik die Gemeingüter (natürliche Ressourcen und öffentlich Güter) schützen.
  2. Mit einer neuen Infrastrukturpolitik die Lebensqualität verbessern. Das gilt für die technische Infrastruktur (Verkehr, Transport, Energie, Wasser) und eine soziale Infrastruktur (Bildung, Gesundheit)
  3. Neue Verteilungspolitik, um die Gemeingüter, was da ist, gerechter zu verteilen. Gemeingüter: Luft, Wasser, Erde, Tiere, Pflanzen, Wälder …. Sprache, Philosophie, Wissen um Physik, Biologie, Religion, Chemie … sowie gesellschaftliche Gemeingüter wie Straßen, Spielplätze, Universität ….

Die gerechte Verteilung fördert die Zufriedenheit in der Gesellschaft. Denn die eigene Zufriedenheit misst sich im Vergleich mit anderen. Es geht nie um den absoluten Wert dessen, was man hat oder verdient, sondern darum, ob man mehr oder weniger hat, verdient, als der andere.

  • Entschleunigungspolitik (Verkehrsberuhigung, Langlebigkeit von Produkten fördern, z. B. Verlängerung von Garantiezeiten, oder indem Tausch- oder Secondhand-Märkte gefördert werden)
  • Nachhaltigkeit fördern (Öffentlicher Personennahverkehr, Büchereien, Schwimmbäder, generell Gemeinschaftsnutzungen und -einrichtungen …)
  • Sozialpolitik erneuern, z. B. in dem ein allgemeines Grundeinkommen eingeführt wird. Hier gibt es zwei Modelle, die negative Einkommenssteuer und das bedingungslose Grundeinkommen. (Anmerkung der Protokollantin: Für mich sind das böhmische Dörfer und ich würde gerne über diesen Punkt einmal gesondert denken und diskutieren!)
  • Konsumpolitik verändern (Abschreibungsreglungen überprüfen, Werbung begrenzen, Sonderausgaben auf Werbematerialien, einführen, Produkte müssen langlebig und reparaturfähig sein …)
  • Sozialökologische Steuerreform: Dahinter steht die Tatsache: Die Natur gibt uns ihre Reichtümer unentgeltlich. Das heißt, wir können sie ausbeuten, dies geht zu Lasten aller (der Natur, der Allgemeinheit), aber am Profit, am Vergrößern des Gewinns, verdienen Einzelne. Um dem entgegenzusteuern, brauchen wir eine Finanzreform. Derzeit fallen 60 Prozent der Steuern auf Arbeit, das bedeutet: Arbeit ist teuer.
    Ein neues Steuersystem (Binswanger) sähe so aus: Wir besteuern den Faktor Natur und werden damit (als Staat) der Interessensverwalter der Natur. Dann erwirkt man, dass sich Rationalisierungsmaßnahmen auf einen sparsamen Verbrauch der Natur auswirken, denn Naturverbrauch wäre dann teuer. Es bedeutet auch: Wenn Arbeit weniger besteuert wird, dann wird sie billiger und kann wieder mehr eingesetzt werden.
    Weitere Konsequenzen der sozialökologischen Steuerreform: Die Produktion wird immer mit der Reproduktion zusammen gedacht.
  • Von der Durchlaufwirtschaft zur Kreislaufwirtschaft:
    Eva Lang zitierte Wolfgang Sachs mit seiner Arbeit „Die vier E’s, Merkposten für einen maßvollen Wirtschaftsstil“ aus dem Jahr 1993. Und diese sind: Entschleunigung, Entflechtung der Wirtschaft (mehr Lokales!). Entkommerzialisierung (mehr Augenmerk auf das Gemeinwesen), Entrümpelung (mehr Augenmerk auf die Einfachheit).  
    Wir entrümpeln uns, wir entkommerzialisieren die Wirtschaft. Wirtschaft ist auch unter dem Aspekt der Sinnhaftigkeit zu sehen. Es müssen neue Wirtschaftsmethoden gedacht werden, z. B. Talentetauschkreise (Talentetauschkreis Vorarlberg ist eine große Gemeinschaft, man tauscht das, was man kann, gegen anderes ein, was man braucht, damit stärkt man die lokalen Märkte und sich unabhängig vom globalen Finanzhandel).Auch Mehrgenerationenhäuser, in denen man sich gegenseitig hilft (die alleinstehende ältere Dame wird zur Oma für die Kinder der alleinerziehenden Mutter, win-win!), oder Gemeinschaftsgärten zur Selbstversorgung sind Modelle von neuen Versorgungsmustern.
  • Reform der Geld- und Finanzmärkte: Dringend notwendig. Die Realökonomie, also das, was tatsächlich erwirtschaftet wird, stellt im Diagramm (s.u.) einen winzigen weißen Punkt dar, der umgeben wird von einer großen roten Blase.

In Zahlen: Das Weltfinanzvolumen beträgt schätzungsweise 3400 000 Mrd Franken (Zahlen von 2007, ist eine schweizerische Quelle), die reale Weltwirtschaft hat eine Volumen von 52 000 Mrd Franken. Die Gesamtheit aller Kredite, Finanzprodukte, Devisenmärkte betrug 2007 also 65mal die reale Marktwirtschaft.
Ausweg: eine Vollgeldreform, das heißt, die Kompetenzen der zentralen Notenbanken stärken, die der Geschäftsbanken zu schwächen. Nur noch die Zentralnotenbank soll die Kompetenz besitzen, Geld zu schöpfen über die Vergabe von Krediten. Dazu müsste der Mindestreservesatz schrittweise auf 100 Prozent angehoben werden (Binswanger), dann bekommt die Zentralbank die Kontrolle über die Geldmenge wieder zurück

Grobes Fazit von allem:

Wir sollen nicht mehr länger in einer fortdauernden Expansion das Heil erblicken wollen, sondern uns mit den Punkten 1 bis 10 beschäftigen, wenn wir etwas verändern wollen.

Die Referentin: Prof. Eva Lang, Wirtschaftswissenschaftlerin, war Professorin an der Bundeswehr-Uni in München. Ihre Schwerpunkte: Ökologische Ökonomie, nachhaltige Sozial- und Finanzpolitik, vorsorgendes Wirtschaften und ökosoziale Modernisierung der Staatswirtschaft.